Künstler
Paul Lenertz
Gedanken vom Künstler
Was mir die Kunst bedeutet
Kunst ist mein persönlicher Ausweg aus der Norm, dem Alltagstrott und dem Ordinären und Belanglosen. In der Kunst finde ich meine Heimat. Eine Welt, in der die Schönheit ebenso gefeiert und genossen, wie auch angestrebt wird. Vielleicht kennt das der eine oder die andere aus dem Urlaub:
All die Gegensätzlichkeiten des Lebens heben sich auf in der Betrachtung des Sonnenauf- oder -untergangs.
Wenn mich der Weltschmerz mal wieder einzuholen droht und ich mir eingestehen muss, nichts an dem Kurs unserer gegenwärtigen Gesellschaft ändern zu können, dann zieht es mich in die Natur. Dort betrachte ich die Knospen und Sprösslinge an Bäumen und Sträuchern. Und bewundere deren Entschlossenheit zu streben und sich allem zu stellen, was da kommen mag.
Ich frage mich, woher ein Grashalm den Mut nimmt, mitten auf dem Gehweg den Beton zu sprengen, um ans Licht zu kommen. All die Mühe, um vielleicht vom nächsten Schuh zertreten zu werden?!
Und ich erahne, dass es hier um mehr geht. „Er kann halt nicht anders“, höre ich mich noch in Gedanken sagen. Und merke, dass mein Denken kein handfestes Ergebnis erzielt. Ich tue es aber trotzdem. Weil ich verliebt bin in das Grün der Blättchen und in das Blau des Himmels. Ich schaue mich um und bin zutiefst bewegt von der Hingabe, die uns die Natur zukommen zu lassen scheint. Wenn sie Tag für Tag dafür sorgt, dass Pflanzen, Obst und Gemüse wachsen, die wir essen können. Wenn Blumen wachsen, die mit ihrem Duft und ihrer Wohlgeformtheit, mit betörenden Farben unser Gemüt beschwichtigen können. Dann bin ich froh, dies alles so intensiv erleben zu können. Natürlich wäre es weniger aufwendig durchs Leben zu gehen, wenn die Gefühle nicht so heftig wären.
Nur, dann gäbe es keine Kunst, richtig? Wir hätten keine Gedichte, die uns trösten. Es gäbe keine Songs, die wir unter der Dusche mitsingen oder uns im Club Stunden lang zappeln lassen.
So ist aber der Mensch nicht. Er will sich ausprobieren, sich die Finger verbrennen, aus Neugierde. Man (und Frau :-)) will erforschen, wie weit es wirklich geht. Wie stark man fühlen kann, Freud und Leid gleichermaßen.
Wer jetzt noch weiter liest, der versteht sicher, was ich meine.
Leidenschaft! Diese Leidenschaft macht alles so kompliziert! Wir verlieben uns, wir verlieren uns ohne zu Wissen, wohin uns das führen wird. So macht der Mensch verrückte Sachen.
Ähnlich wie der Grashalm mitten auf dem Gehweg, oder? Ich weiß, dass vielen Menschen sowas am Allerwertesten vorbei geht, da es viel Wichtigeres, Sinnvolleres und Gewinnbringenderes zu erledigen gibt. Und glaubt mir, das würde ich auch gerne. Aber ich kann es nicht.
Nach so vielen Jahren vernünftigen Lebens musste ich mir eingestehen, dass ich viele unbequeme und unpraktische, tiefe und heftige Gefühle habe, die ich in ihrer Intensität kaum beschreiben kann. Und die Ausdruck finden müssen, damit ich nicht krank an deren Unterdrückung werde.
Um damit also irgendwie klar zu kommen, beschäftige ich persönlich mich mit Kunst. Dort finde ich Gleichgesinnte. Ich höre zum Beispiel Musik und sage: Ja, genau! Ich weiß, was du meinst! Ich kenne das Gefühl! Hut ab vor so viel Mut deine Emotionen derart offen darzubieten! Ich versuche es auch mal. Vielleicht kann ich mit meinen Bildern auch etwas in den Menschen berühren. Vielleicht geht da auch etwas in Resonanz.
Vielleicht wird die Welt etwas angenehmer, wenn wir uns gegenseitig mehr von uns erzählen oder zeigen. Wenn wir mehr Mut beweisen, zu unseren Gefühlen zu stehen. Und wenn wir auch ehrlich zu unseren Fehlern stehen. Vielleicht werden wir dann immer noch gemocht?
Das wünsche ich uns allen.